Bis 2050 will die Stadt Potsdam bei Heizung und Warmwasser Erdgas und andere fossile Energien ablösen. Kann klimaneutrale Wärme gleichzeitig zuverlässig und bezahlbar sein? Ja, sagt die Energietochter EWP der Stadtwerke Potsdam – und hat dafür eine intelligente Strategie entwickelt
Zwei von drei Menschen in Deutschland haben Angst vor den Folgen des Klimawandels – aber nicht nur vor Naturkatastrophen wie Dürre, Starkregen und Überflutungen. Auch die Sorge vor einem sozialen Abstieg durch Klimaschutzmaßnahmen treibt viele um. Die Energie und Wasser Potsdam GmbH (EWP), die derzeit fast 80.000 Haushalte mit Wärme und Energie vor allem aus Erdgas versorgt, steht damit vor sehr unterschiedlichen Herausforderungen. Bereits 2050 sollen Wärme und Warmwasser in Potsdam ausschließlich aus klimaneutralen Energiequellen kommen, was einerseits vielen Menschen in Potsdam nicht schnell genug geht. „Andererseits vertrauen sie noch nicht vollständig darauf, dass sie sich auch ohne fossile Energien jederzeit auf warme Wohnungen und warmes Wasser verlassen können und beides bezahlbar bleibt“, sagt Cordula Schmaler, Bereichsleiterin Erzeugung/Entsorgung und Dienstleistungen bei der EWP. Das Unternehmen hat zu beiden Fragen eine umfassende Energie- und Dekarbonisierungsstrategie vorgelegt. Wärmewende heißt: so viele dieser Quellen wie möglich ans Netz holen. Technologiewende heißt: aus dieser Energie herausholen, was geht.
Wie Erdwärme ein Quartier versorgt
Geothermie ist dafür ein Beispiel. Schon aus dem oberflächennahen Boden lässt sich durch Wärmepumpen zuverlässig Wärme fördern, die ausschließlich natürliche Quellen hat: Restwärme der Erdentstehung, Zerfall natürlich vorkommender radioaktiver Elemente, im Boden gespeicherte Sonnenenergie. Rund 22.000 Haushalte in Brandenburg – Einfamilienhäuser und kleinere Mieteinheiten – werden auf diese Weise bereits völlig klimaneutral beheizt. Für ganze Wohnquartiere reicht oberflächennahe Geothermie aber oft nicht aus. Hier ist die Technologie der Tiefengeothermie eine Lösung. So wird die erste Anlage Potsdams Thermalwasser aus (ca. 1.800 Meter) tiefen Bodenschichten pumpen, das mit einer natürlichen Grundtemperatur von mindestens 60 Grad deutlich mehr als 700 Wohnungen mit Wärmeenergie versorgen kann. Diese Art der Erdwärme steht fast überall zur Verfügung, unabhängig von Jahreszeiten oder Wetterverläufen. Zudem brauchen die zugehörigen Heizwerke, verglichen mit anderen erneuerbaren Energien, wenig Platz und fügen sich relativ unauffällig in die Quartiere ein.
Heizen mit Sonnenenergie
Sonnenenergie kennen viele aus der Stromerzeugung. Solarthermie ist aber insbesondere für die Gewinnung von Wärme und Warmwasser von Bedeutung. Auch dafür gibt es schon ein Beispiel in der Stadt: einen der bundesweit größten Solarthermieparks neben dem Heizkraftwerk Potsdam-Süd. An sonnigen Sommertagen deckt er bis zu 15 Prozent des Wärmebedarfs der Stadt – und spart jährlich bis zu 488 Tonnen CO2. Zusammen mit weiteren Standorten und sogenannten dezentralen Bürgeranlagen lässt sich dieser Anteil in der Zukunft noch steigern, wenn die Flächen bereitgestellt werden können.
Wärme aus Abwasseranlagen
In urbanen Gebieten ist auch die Wärmegewinnung aus Abwasser eine interessante Option. Das Abwasser ist ganzjährig ausreichend hoch temperiert, um Wärme über Wärmetauscher und Wärmepumpen in Wohnquartiere oder größere Gebäudekomplexe einzuspeisen. Die EWP beobachtet dazu Modellprojekte in anderen Kommunen – ebenso wie solche zur Gewinnung von Wärme aus industriellen Prozessen. Fast überall im produzierenden Gewerbe ist Abwärme ein Neben- produkt, das heute entweder verpufft oder mit Kühlanlagen oder über Kühlwasser herunterreguliert werden muss. Über Wärmetauscher lässt sich auch diese Energie ins Netz einspeisen.
Klimaneutral und bezahlbar
Bis 2050 sollen gut 44 Prozent der Fernwärme in Potsdam aus erneuerbaren Quellen kommen. Dafür muss sich das Fernwärmenetz der Stadt aber wesentlich verändern. Für die Aufnahme erneuerbarer Energien ist ein Niedrigtemperaturnetz unabdingbar. Mehrere Millionen Euro wird die EWP in den kommenden zehn Jahren in den Umbau der Energieerzeugungs- und Verteilsysteme investieren. Die Energieproduktion erfolgt dann dezentral über ganz unterschiedliche Quellen in und außerhalb der Stadt – Geothermieanlagen, Sonnenparks, Pumpstationen am Klärwerk oder auch durch Kleinstanlagen für die Erzeugung von Mieterstrom und Mieterwärme. Fast jede Quelle ist willkommen. Gleichzeitig bleibt das Prinzip einer flächendeckenden Fernwärmeversorgung erhalten. Durch den Einsatz grüner Gase wie klimaneutralem Wasserstoff und synthetischem Methan oder Biomethan hat die Kraft-Wärme-Kopplung Zukunft. „Fernwärme ist nicht nur durch die gemeinsame Erzeugung von Strom und Wärme grundsätzlich ressourcenschonend“, sagt Cordula Schmaler. „Sie schließt den Großteil der Menschen in Potsdam ans Netz, wodurch klimaneutrale Wärme für alle Einkommensschichten erschwinglich bleibt.“
Neueste Kommentare