UNTER UNS

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Das Bärtierchen Echiniscus granulatus ist ein Vegetarier. Es sticht Mooszellen an und saugt sie aus

Ab in den Wald. Den tiefen Nordschwarzwald. Tau liegt auf Farnen. Fichten, Buchen, ein Mischwald. Pilzgeruch liegt in der Luft. Irgendwo ein Vogelruf. Die Sonne scheint schräg im Morgennebel. Das Knirschen eines Eisenspatens, der sich in den Waldboden gräbt. Tief hinein in die Welt des Waldbodens. Eine Bodenprobe. Eine Handvoll Erde. Lebensraum von Millionen kleinster Organismen. Mit einer Handvoll Boden halten Sie zahlenmäßig mehr Bodenorganismen als es Menschen auf der Erde gibt. Das sind dann knappe acht Milliarden in einer Hand – eine ganze Menge Insekten, Milben, Würmer, Nematoden, Ciliaten, Amöben und Einzeller wie Pilze, Hefen und Bakterien. Sie graben, wühlen, zerkleinern, fressen und scheiden aus. Ohne diese ganzen fleißigen „Drecksarbeiter“ wäre ein Waldboden nicht gesund, der Nährstoffkreislauf nicht geschlossen. Respekt.

Und wir? Treten auf dem Boden herum, sehen auf ihn herab, belasten ihn mit Gülle und Giften, verdichten ihn mit schweren Maschinen und Beton. Wir zerstören die Bodenarchitektur gedankenlos. Rücksichtslos. Ohne lebendigen Boden kein Leben. Wir brauchen ihn wie Luft zum Atmen. 

Mehr Respekt vor dem Boden und seinen Bewohnern. Aber wie sehen die aus? Wie sind die Fotos entstanden? In Zusammenarbeit von Förstern und Wissenschaftlern wurden aus Zonen des Nordschwarzwaldes, die über 100 Jahre von Menschen unbeeinflusst waren, Bodenproben gesammelt, um die Vielfalt der darin lebenden Organismen zu dokumentieren. Die Bodenausstiche wurden in einem Labor in Terrarien am Leben gehalten, unterschiedliche Wettersituationen wurden simuliert. Das Waldjahr in Klein: Das Leben von Dauerregen bis zu Trockenzeiten wurde dokumentiert. Und die Bilder?

Erst komplizierte Verfahren mit Präparation, chemischer Fixierung, Entwässerung und Vergoldung unter Vakuum ermöglichen die Sichtbarmachung dieser Wunderwelt. Das Raster-Elektronenmikroskop REM erzeugt das Bild, rein schwarz-weiß, reine Topografie, keine Farbe. Und jetzt die Kolorierung durch den Menschen. Ohne jede KI. Der Komplexität wird keine KI gerecht: Die KI könnte nur interpretieren, was sie kennt. Vor der mikroskopischen Schwarz-Weiß-Welt kapituliert sie und kann nicht zwischen Dreck und Organismus unterscheiden. Kommt vielleicht noch. Bis dahin und darüber hinaus gehen wir vielleicht anders durch Wald und Flur. Mit Demut vor der Intelligenz und dem Fleiß der nützlichen Wesen unter unseren Füßen.

verfasst von
Till Weishaupt

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