Das niederschlagsarme Brandenburg ist vom Klimawandel besonders betroffen. Auf dem Potsdamer Telegraphenberg arbeiten Wissenschaftler auf Hochtouren an einer „Anpassungsstrategie“
Die Zeiten, in denen man über einem Lustschloss die Inschrift „sans souci“ anbringen lassen konnte, neigen sich dem Ende zu. Wurden von 2000 bis 2010 in Potsdam durchschnittlich 3,4 heiße Tage pro Jahr gemessen, so werden es bis zum Ende des Jahrhunderts bereits 28 sein. Vorausgesetzt, der Klimawandel geht unvermindert in der bisherigen Geschwindigkeit weiter. Und das wäre noch nicht der worst case: Manche Modelle rechnen mit 40 Hitzetagen pro Jahr.
Wir sehen jetzt schon die Folgen des Klimawandels. Im heißen Jahr 2010 sind in Brandenburg etwa 250 Menschen an der Hitze gestorben, im heißen Jahr 2019 waren es etwa 320. Da insbesondere ältere und chronisch kranke Menschen für Hitze anfällig sind und der demografische Wandel zu einem steigenden Anteil älterer Menschen führt, dürfte die Zahl der Hitzetoten damit in Brandenburg deutlich steigen – wenn wir nichts tun. Ein Hitzeaktionsplan (HAP) kann dadurch Menschenleben retten, dass sich alle relevanten Akteure – von den Gesundheitsämtern über die Altenpflege bis hin zum Sozialdienst oder den Nachbarschaftsnetzwerken – vernetzen und ihre Maßnahmen abstimmen. Das Land Brandenburg lässt einen solchen HAP gerade erstellen. Digitale Lösungen können hierbei sehr hilfreich sein, um Menschen vorzuwarnen oder Einsatzkräfte zu koordinieren.
Aber es wird nicht nur heißer werden, sondern auch trockener. Vor allem in den Sommerhalbjahren. Das ist eine schlechte Nachricht für die Land- und die Forstwirtschaft, die schon heute mit den Folgen außergewöhnlich heißer und trockener Jahre zu kämpfen haben. Und dann ist da noch der Tourismus – ein Wirtschaftsfaktor, der für Brandenburg in den vergangenen 30 Jahren immer wichtiger geworden ist. Er hängt gerade in unserem Bundesland sehr stark an der Natur – den Seen, den Wäldern, den historischen Parks und Gärten.
Fazit? Das Land Brandenburg braucht dringend eine Klimaanpassungsstrategie. Die Landeshauptstadt Potsdam verfügt bereits seit 2016 über eine solche Anpassungsstrategie, und das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) hat maßgeblich daran mitgewirkt. Seit seiner Gründung im Jahr 1992 erforscht man auf dem Potsdamer Telegraphenberg den weltweiten Klimawandel und seine Folgen und denkt über Lösungen im Bereich Klimaschutz und Klimaanpassung nach. Die konzeptionelle Grundlage dafür bilden die Theorien zur Nutzung globaler öffentlicher Güter (Global Commons) und die planetaren Belastungsgrenzen (Planetary Boundaries). Der institutseigene Hochleistungscomputer ermöglicht komplexe Simulationen und Modellrechnungen des Erdsystems: von vergangenen Eiszeiten hin zum anthropogenen Klimawandel und seinen Auswirkungen in Bezug auf Wetterextreme, Bodenerträge, Meeresspiegel oder Gesundheit.
Das PIK befasst sich aber nicht nur mit dem globalen Klimasystem und all seinen „Überraschungen“ oder Kipppunkten
(Tipping points), sondern untersucht auch die Folgen für konkrete Regionen. Und selbstverständlich haben wir uns von Anfang an auch sehr mit dem Bundesland befasst, in dem wir angesiedelt sind. Dabei zeigte sich schon früh: Gerade Brandenburg gehört zu den besonders sensiblen und betroffenen Regionen des Klimawandels in Deutschland. Klimatisch stärker kontinental als ozeanisch geprägt, mit relativ niedrigem Jahresniederschlag und Böden mit geringer Wasserhaltekapazität schlägt hier der Klimawandel stärker durch als anderswo.
Die Hitze- und Trockensommer 2018 und 2019 haben unterstrichen, dass die zahlreichen Maßnahmen, die in der oben erwähnten Klimaanpassungsstrategie beschrieben sind, dringend umgesetzt werden müssen. Bestimmt will in Zukunft niemand die Inschrift über dem Schloss gegen „avec souci“ austauschen!
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