BIRD WATCH

Die biologische Vielfalt in der Landwirtschaft hat dramatisch abgenommen, für Vögel bleibt da nur wenig Lebensraum. BirdWatch, eine satellitengestützte Überwachung und Bewertung der Flächen, soll für die Verbesserung der Biodiversität sorgen. Ein KI-Algorithmus ordnet die Datenflut

Vogelarten fungieren als wichtiger Zeiger für den Zustand der Biodiversität und erlauben allgemeinere Rückschlüsse zur Gesundheit eines Ökosystems. Ein geeignetes Habitat beinhaltet ausreichend Nahrung und Schutz.
Diese Voraussetzungen sind u. a. durch intensive Landwirtschaft nicht immer gegeben. Wird zu früh im Jahr gemäht, wird die Aufzucht der Jungen beeinträchtigt. Maschinelle Bodenbearbeitung und Ernte sowie Pflanzenschutz- oder Düngemittel zerstören Lebens- und Rückzugsräume. Mit dem Rückgang der Pflanzenvielfalt durch einseitige Bewirtschaftung findet oft auch der Rückgang des Nahrungsangebots statt.
Das Horizon-Europe-Projekt BirdWatch möchte hier seinen Beitrag zum Schutz und zur Wiederherstellung eines gesunden Zustands der Biodiversität leisten, indem es sich die Verbesserung der Habitate von Agrarvogelarten zum Ziel gesetzt hat.
Dies geschieht unter der Nutzung von sogenannten Erdbeobachtungsdaten, mittels derer sich die Habitateignung von landwirtschaftlichen Flächen für Agrarvögel auswerten und Optionen für entsprechende Maßnahmen identifizieren lassen.
Ausgangspunkt bilden die spezifischen Habitatbedingungen einer Vogelart. Jede Art hat ihre Nische, in der sie sich wohlfühlt. Manche Arten mögen es besonders gern, wenn sie viel Offenland vorfinden, weil sie so ihre Feinde frühzeitig erspähen können. Andere Arten verstecken sich lieber im Gebüsch oder setzen sich auf Zweige, um ihre Umgebung ins Auge fassen zu können. Auch bei den Feldfrüchten gibt es sowohl bevorzugte Arten, beispielsweise aufgrund der leckeren Saaten oder Früchte, als auch unliebsames Gewächs.
Diese Bedingungen müssen artenspezifisch recherchiert werden, um die Grundlage für die Bewertung der Habitateignung zu schaffen.
In BirdWatch fokussieren wir uns auf jene Bedingungen, die direkt oder indirekt mit Erdbeobachtungsdaten erfasst werden können. Dazu gehörten Satellitenbilder, welche vom Copernicus-Programm der Europäischen Union öffentlich zur Verfügung gestellt werden. Mit diesen Daten kann beispielsweise die Art der Landbedeckung oder -nutzung ermittelt werden. Außerdem liefern sie Indikatoren, welche Rückschlüsse auf die Bodenfeuchte sowie die Vegetationsgesundheit und -struktur erlauben. Die hohe Wiederholungsrate der Satellitenbildaufnahmen ermöglicht es, Änderungen zu detektieren, wie beispielsweise den Umbruch von Ackerboden oder das Entfernen von Baumgruppen.
Solche Informationen werden in BirdWatch als Umweltparameter bezeichnet. Sie ermöglichen die Beschreibung des Habitats im Rahmen ihrer räumlichen Auflösung. So kann man anhand der Satellitendaten natürlich keine Vögel detektieren, jedoch herausfinden, ob bestimmte Habitatelemente vorhanden sind.
Um diese Umweltparameter zur Bewertung der Habitateignung einsetzen zu können, nutzt BirdWatch artenspezifische Habitatmodelle. Diese erlauben die Aussage, wie wahrscheinlich es ist, dass ein untersuchtes Gebiet für eine Vogelart als Habitat genutzt werden könnte, und besagen, inwiefern die Bedingungen für das Vorfinden einer Art geben sind.
Habitatmodelle werden dadurch erstellt, indem man Vogelbeobachtungsdaten (also Ort und Zeitpunkt ihrer Sichtung) mit den lokalen Umweltparametern in einen statistischen Zusammenhang bringt.
Sowohl in der Ableitung der Umweltparameter als auch in der Erstellung der Habitatmodelle muss eine große Menge an Daten ausgewertet werden.
In BirdWatch werden Umweltparameter für die Fläche ganz Deutschlands ausgewertet, wofür mehrere Gigabyte an Daten anfallen. Um diese Mengen zu bewältigen, greifen wir auf das sogenannte Cloud-Computing zurück, welches den Zugriff auf leistungsstarke Rechenressourcen ermöglicht.
Ähnlich verhält es sich mit den Habitatmodellen, welche aus einem Ensemble von Algorithmen des maschinellen Lernens abgeleitet werden und welche hohe Rechenkapazitäten voraussetzen. Insbesondere wird in BirdWatch eine Kombination unterschiedlicher parametrisierter und nicht-parametrisierter Ansätze, wie beispielsweise generalisierte lineare Modelle und Random Forest, angewendet. Jedes dieser Modelle erlaubt die Einschätzung der Modellgüte und nur jene mit einer ausreichen hohen Güte werden weiterverwendet.
Sobald die Habitatmodelle erstellt und ausreichend validiert wurden, können sie mit neuen Umweltparametern, welche nicht zur Modellbildung beigetragen haben, kombiniert werden, um die Habitateignung einer Fläche zu ermitteln. Das Ergebnis sagt uns, wo für eine bestimmte Art eine hohe oder niedrige Habitateignung vorzufinden ist und was sie positiv oder negativ beeinflusst.
Somit vermittelt das Ergebnis auch, welche landwirtschaftlichen Flächen gute Kandidaten für agrarökologische Gegenmaßnahmen wären. Die Gemeinsame Agrarpolitik der EU fördert bestimmte agrarökologische Maßnahmen, um ökonomische Anreize für eine umweltverträglichere, nachhaltigere Landwirtschaft zu schaffen. Allzu oft führt dies dazu, dass sich der ökologische Zustand der landwirtschaftlichen Flächen nicht bessert, und hat auch schädliche Auswirkungen zur Folge, wenn die geförderten Maßnahmen nicht mit den lokalen Gegebenheiten übereinstimmen.
Um die Auswahl der geeigneten geförderten Maßnahmen zu erleichtern und die Anwendung schädlicher Maßnahmen zu vermeiden, wendet BirdWatch eine Optimierung an, welche auf der Logik der Lieferkettenoptimierung basiert. In diese fließen sowohl die ökologischen Anforderungen der lokal vorkommenden Vogelarten als auch die ökonomischen und operationellen Voraussetzungen der Landwirtinnen und Landwirte ein. Somit wird der gangbarste Weg zur Verbesserung der Biodiversität auf einer Agrarfläche, unter Vermeidung von Zielkonflikten, berechnet.
Zum Projektende wird BirdWatch als webbasierte Anwendung innerhalb Deutschlands sowie für drei weitere Regionen in der EU zur Verfügung stehen. ■

verfasst von
Dr. Nastasja Scholz

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